Respektvolle Sprache: So sprechen wir richtig über Kinder mit besonderen Bedürfnissen

Björn Strehl
Zuletzt aktualisiert:
16.09.2025
Lesezeit:
5
Minuten

Worte haben Macht - besonders bei sensiblen Themen, die im Leben von Menschen mit besonderen Bedürfnissen eine große Rolle spielen. Viele gut gemeinte Sätze können im Subtext dennoch verletzend sein - wenn auch unbeabsichtigt. Dabei kann eine respektvolle Sprache im täglichen Gebrauch Raum für ein besseres Miteinander schaffen. Wir wollen in diesem Artikel Tipps für Alltag, Schule und die Gespräche mit anderen geben. Ungewöhnlicher Weise richtet sich der Beitrag diesmal auch an Außenstehende, denen ihr den Artikel gern weiterempfehlen dürft ;-)

Gut gemeint, aber verletzend - wenn Sprache unbewusst ausschließt

Viele Menschen sind unsicher, wie sie "richtig" sprechen sollen oder sind sich der Problematik gar nicht bewusst. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, kann zu Vermeidung oder Überkompensation führen und entziehen einem Gespräch so die Leichtigkeit. Veraltete Begriffe wie "leidet an", "ist behindert" oder "an den Rollstuhl gefesselt" bilden in den Köpfen falsche Vorstellungen und sind nicht selten sogar verletzend. Wenn ein aufmunternd gemeinter Kommentar wie "trotz Behinderung so fröhlich" eher negative Gefühle auslöst, fühlen sich Betroffene oft missverstanden oder bemitleidet und es stellt sich regelmäßig das Gefühl ein, auf den Gebrauch der Hilfsmittel reduziert zu werden. Man nennt diesen sprachlich unbedachten Umgang ableistische Sprache.

Wie sich Familien wirklich fühlen, wenn...

Wenn Menschen im kommunikativen Umgang miteinander Formulierungen benutzen wie "Er leidet an...", dann blenden sie aus, dass er nicht leidet, sondern lebt! Dass ein Kind nicht "trotz der Behinderung" fröhlich ist, sondern einfach gut gelaunt! Auch Ausdrücke wie "Es ist ja bewundernswert, dass ihr..." für vollkommen alltägliche Dinge ist patronisierend, kann also leicht als herablassend empfunden werden. Kinder hören dies stets mit und spüren die Bewertung, die in dieser Sprache mitschwingt. Das kann unter Umständen dazu führen, dass sich Familien zurückziehen, um solche Gespräche zu vermeiden. Geschwisterkinder schämen sich manchmal für die unbedachten Kommentare anderer und wissen gleichzeitig nicht immer damit umzugehen. Die Klassifizierung unserer Kinder mit besonderen Bedürfnissen als "behindert" im Gegensatz zu "normal" impliziert überdeutlich, sie wären unnormal.

Respektvolle Sprache - so geht's richtig

Für eine einfache Anwendung non-ableistischer Sprache reicht es anfangs, auf bestimmte Wortkonstrukte und Formulierungen zu achten, die den Menschen und nicht seine Einschränkungen in den Vordergrund stellen.

  • Der erste Lifehack ist die Person-first-Language-Regel: Hierbei wird zuerst der Mensch genannt: "Kind mit besonderen Bedürfnissen" statt "behindertes Kind".
  • Eine Eigenschaft neutral zuweisen, statt emotionale Zustände zu unterstellen: "Miriam hat Zerebralparese" statt "leidet an".
  • Den Gebrauch von Hilfsmitteln kann man ebenfalls neutral ausdrücken: Jemand "nutzt einen Rollstuhl" und ist nicht "gefesselt an".
  • Normales normal behandeln: Das Loben alltäglicher Aktivitäten, die alle anderen auch ohne Applaus bewältigen, kann einfach unterbleiben.
  • Sprachlich positivere Alternativen wählen: Was Außenstehende als "Problem" empfinden, ist eigentlich eine "Herausforderung" und Ungewohntes kann als "anders" statt "unnormal" gesehen werden.

Setzt den Fokus auf Interessen, Hobbys und Persönlichkeit, fragt bei Unsicherheiten nach und versucht das Kind in den Vordergrund zu stellen, nicht die Hilfsmittel oder Bedürfnisse.

Wenn respektvolle Sprache zum Alltag wird

Es gibt dabei für alle viel zu gewinnen: Familien fühlen sich verstanden und respektiert, Kinder entwickeln ein gesundes Selbstbild und alle Arten von Gesprächen werden entspannter und natürlicher. So gelingt Inklusion in Schule und Freizeit besser, andere Eltern trauen sich, offen Fragen zu stellen und Geschwisterkinder werden nicht beschämt. So wird eine Gesellschaft offener und inklusiver!

Was, wenn mir trotzdem ein falsches Wort rausrutscht?

  • Der Übergang von ableistischer zu respektvoller Sprache ist ein Prozess - die tägliche Nutzung muss wie ein Muskel trainiert werden.
  • Niemand kann verlangen, dass das auf Anhieb perfekt klappt;  entschuldigt euch einfach dafür - und wenn ihr versucht, schnell ein besseres Wort oder eine passendere Formulierung als Korrektur im Gespräch anzubringen, werdet ihr damit immer besser!
  • Es dauert in der Regel nicht so lang, wie man anfangs glauben könnte, die richtigen Worte zu finden und zu benutzen. Dranbleiben!

Muss ich jetzt jeden Begriff überdenken?

  • Nicht übertreiben - das Ziel ist schließlich ein natürlicher Umgang miteinander.
  • Achtet auf Begriffe, die häufig verwendet werden und merkt sie euch.
  • Im Zweifel fragt einfach nach, welche Begriffe gern gehört werden - und welche weniger.

Wie erkläre ich das meinen/anderen Kindern?

  • Kinder sind meist offener als Erwachsene und haben noch nicht so viele "Schubladen" übernommen.
  • Sie wissen meist besser als wir, dass Menschen einfach verschieden sind. Wertungen und Vorurteile übernehmen sie oft erst von den Erwachsenen.
  • Lebt es einfach vor - die Kinder lernen durch Nachahmung.

Gemeinsam Worte finden, die verbinden statt trennen

Respektvolle Sprache ist kein kompliziertes Regelwerk, sondern einfach ein Zeichen des Respekts - wie ein freundliches Lächeln oder ein offenes Ohr. Sprache verändert sich, und das ist gut so. Jedes Gespräch, in dem wir aufmerksam und respektvoll miteinander umgehen, macht unsere Gesellschaft ein bisschen inklusiver. Nicht sofort von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt. Hört bewusst hin, wie über Kinder mit besonderen Bedürfnissen gesprochen wird - und traut euch, freundlich zu korrigieren, wenn nötig. Jede Familie freut sich über Verbündete, die respektvoll mit ihnen sprechen und andere dazu ermutigen, es genauso zu machen.

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